1&1 startete quasi bei Null, hatte also bis 2022 kein eigenes Mobilfunknetz. Andererseits startet man aber auch nicht bei Null. Denn die Einführung eines eigenen 1&1 Netzausbaus ist von langer Hand geplant, entsprechend konnte man über einen langen Zeitraum viele Vorbereitungen treffen. Was der Anbieter außerdem schon mitbringt, ist ein großer Kundenstamm von mehreren Millionen Nutzern. Sie befinden sich derzeit im O2-Netz. Sie werden mit dem regulären Start des Netzes Nutzer des 1&1-Netzes und sind dann auch abhängig von der 1&1 Netzabdeckung – zumindest in Teilen..
Die Voraussetzungen
Zu 1&1 gehört auch die 1&1 Versatel. Versatel war einst ein eigenständiger Anbieter, der in weiten Teilen Deutschlands Glasfasernetze aufgebaut hat. 51.721 Kilometer Länge hat dieses Netz heute, es erreicht 250 Städte – darunter 19 der 25 größten Städte Deutschlands. Es wird heute unter anderem für die Anbindung von Geschäftskunden genutzt. Künftig versorgt es auch die eigenen Mobilfunkmasten
1&1 hat sich zudem die notwendigen Frequenzen für ein eigenes Mobilfunknetz gesichert. Stand heute (September 2022) hat 1&1 zwei verschiedene Frequenzbereiche zur Verfügung. Das sind die „klassischen“ 5G-Frequenzen um 3,5 GHz. Und bis Ende 2025 kann der Anbieter Frequenzen im Bereich um 2,6 GHz nutzen. Diese sind aufgrund verschiedener EU-Auflagen eine Überlassung von Telefónica. Erst ab 2026 kann man Frequenzen im Bereich um 2,1 GHz nutzen.
Was bedeutet das für den 1&1 Netzausbau? Faktisch kann es bis Ende 2025 das eigene Handynetz von 1&1 nur in (Groß-)städten geben. Denn die verfügbaren Frequenzen haben nur eine Reichweite von wenigen hundert Metern. Um eine Innenabdeckung zu erreichen, müssen die Sendemasten zudem sehr nah beieinanderstehen. Das Durchdringen von Wänden ist mit diesen Frequenzen schnell kompliziert. Die eigene 1&1 Netzabdeckung wird sich als erst einmal nur auf Ballungszentren beschränken.
Erst ab 2026 ist dann damit zu rechnen, dass 1&1 sein Netz auch in ländlichere Gebiete bringt. Die 2,1 GHz-Frequenzen sind die alten UMTS-Frequenzen. Entsprechend kann auch die Abdeckung zwar deutlich besser, aber nicht überragend sein. Bei künftigen Frequenz-Vergabeverfahren wird 1&1 weitere Frequenzen einkaufen müssen.
Empfang wirst du die 1&1 Netzabdeckung in ganz Deutschland haben – nur nicht durch das eigene Netz. Denn 1&1 hat ein Abkommen über National Roaming mit O2 abgeschlossen. Sprich: Dort, wo das neue LTE- beziehungsweise 5G-Netz nicht zur Verfügung steht, wird sich das Handy in das O2-Netz einbuchen. Hier steht dann allerdings nur LTE (sowie GSM) zur Verfügung. Kein 5G. Im Rahmen der echten 1&1-Netzabdeckung wiederum wird es kein GSM geben.
Die Auflagen
Bis Ende 2022 hätte 1&1 mindestens 1.000 5G-Standorte betreiben müssen. Daraus wurde nichts. Der Netzstart erfolgte zwar offiziell noch kurz vor Ende des Jahres 2022 – doch mit gerade einmal drei Sendemasten. Bis Ende 2025 muss das neue Netz dann 25 Prozent der deutschen Haushalte erreichen können. Also etwas mehr als 10 Millionen Haushalte. Das Netz wird in Metropolen wie Berlin, München, Hamburg und dem Ruhrgebiet starten. Weitere deutsche Städte mit einer hohen Haushaltsdichte sind wahrscheinlich. Ferner müssen dann bis 2030 50 Prozent der Bevölkerung erreicht werden. Diese Auflagen hat 1&1 mit der Ersteigerung der Frequenzen akzeptiert.
Der Zeitplan
1&1 verfügt über einen National-Roaming-Vertrag mit Telefónica. Bereits im Sommer 2021 hat Unternehmens-Chef Ralph Dommermuth weitere Details zum Ausbau und Zeitplan verraten. So sollte das Netz im ersten Schritt als Festnetz-Ersatzprodukt startet (Fix Wireless Access). Das erfolgte Ende 2022 – wenn auch in einem sehr kleinen Umfang. In den Städten und Stadtteilen, in denen die ersten Sendemasten stehen, könnten Kunden dann einen schnellen Internetanschluss als Alternative zu DSL und Kabel buchen. Das Produkt entspricht dann im Prinzip einem Vodafone Gigacube oder ähnlichen Produkten. In Mainz, Karlsruhe und Frankfurt können Nutzer im Live-Netz unter realen Bedingungen seit Juli 2022 das Netz testen.
Erst in einem zweiten Schritt wird dann auch die echte Mobilfunknutzung Einzug ins Netz erhalten. Der Grund dafür ist unter anderem, dass bis dahin noch die Vorbereitungen für das National Roaming mit O2 laufen müssen, verriet Dommermuth. Das soll nun Mitte 2023 der Fall sein. Zu den genauen Tarifkonditionen gibt es noch keine genauen Erkenntnisse. Dommermuth kündigt aber an: „Sie werden sehr attraktiv sein, so viel steht fest, aber es wird keine Preisschlacht geben.“
Der Netzausbau
Anfang 2023 meldete 1&1, dass sich derzeit 235 Standorte parallel im Bau, im Jahresverlauf solle das erste Zwischenziel von 1.000 Funkmasten erreicht werden. Zur Erinnerung: Das hätte schon 2022 geschehen sollen. „Trotz Verzögerungen in den letzten Monaten wollen wir unsere bis Ende 2030 bestehende Versorgungsverpflichtung von 50 Prozent aller Haushalte weiterhin frühzeitig erfüllen“, sagte Konzernchef Ralph Dommermuth. „Dafür werden etwa 12.600 Funkmasten und über 500 regionale Rechenzentren in Betrieb genommen.“
So oder so: Bis Ende 2023 muss 1&1 seine Vermarktung als Provider und virtueller Netzbetreiber einstellen. Man darf dann nur noch die eigenen SIM-Karten für das eigene Netz (samt Roaming) vermarkten.
Das neue Netz wird vollständig von Rakuten aufgebaut und geplant. Es soll bis Ende 2030 in 390 Städten direkt verfügbar sein, der Rest Deutschlands wird durch O2 im National Roaming abgedeckt. 1&1 plant mit 12.000 Antennenstandorten, an denen dann in der Regel mehrere Antennen hängen. So kommt man zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich auf etwa 36.000 Antennenelemente und kann 50 Prozent der Haushalte versorgen. Zum Vergleich: Die Telekom als vielmaliger Testsieger verfügt über 35.000 Standorte in ganz Deutschland. An den Standorten werde man ausschließlich Antennen verbauen, die 5G mit Gigabit-Datenraten liefern können. Außerdem wird jeder Sendemast auch LTE ausstrahlen. Alle Sendemasten werden direkt an das Glasfasernetz angebunden.
Übrigens wird es sich bei den Standorten zumindest anfangs weitestgehend um Vodafone-Standorte handeln. 1&1 hat sich beim Vodafone-Funkturmableger Vantage Towers eingemietet und nutzt im ersten Schritt 3.800 Standorte des Mitbewerbers. Vantage Towers wird dem Vertrag zufolge letztlich auch verantwortlich sein für die Installation der 1&1 5G-Antennen. Zudem ist man verantwortlich für die Bereiche Genehmigungsverfahren, Bauvorbereitung und Bau neuer Antennenstandorte.
Wenn das Netz einmal läuft, wird die freenet-Tochter Media Broadcast zum Einsatz kommen. Die Unternehmen haben einen langjährigen Vertrag über die Erbringung des Field Service im neuen 5G-Mobilfunknetz von 1&1 abgeschlossen. Media Broadcast zeichnet mit dem Vertrag verantwortlich für die Instandhaltung der aktiven Systemtechnik des neuen 1&1-Netzes.
Die Netzabdeckung von 1&1
Der Start des FWA-Netzes erfolgte Ende 2022 an genau drei Standorten in Frankfurt am Main und Karlsruhe. Für die ersten Wochen des Jahres 2023 stellte 1&1 einen weiteren Ausbau in Aussicht. Weitere 50 bereits fertiggestellte Funkmasten in Städten wie Hamburg, Essen, Düsseldorf, Wiesbaden, Mainz, München und Freiburg sollen sukzessive in Betrieb genommen.
Die Tarife des 1&1 Netzes
Wie die Handytarife einst aussehen sollen ist unklar. Gestartet ist 1&1 mit einem Festnetz-Ersatz über 5G. Die Tarife sind allerdings nicht sonderlich attraktiv. Eine Flatrate gibt es zum Start nicht. Du kannst zwischen drei verschiedenen Volumentarifen mit 50, 100 oder 250 GB monatlich wählen. Die Kosten liegen bei 19,99 Euro monatlich, 29,99 Euro monatlich oder 39,99 Euro monatlich. Nach Aufbrauchen des inkludierten Highspeed-Datenvolumens steht bis zum Monatsende ein unbegrenztes Datenvolumen mit Bandbreiten von bis zu 384 kBit/s bereit. Eine mobile Nutzung ist nicht vorgesehen, der Zugang steht nur an der Buchungsadresse zur Verfügung. Es fällt ein einmaliger Bereitstellungspreis von 39,95 Euro an.
Die Besonderheiten
Dommermuth betonte die Besonderheit des Netzes, das auf OpenRAN-Technologie setzt. Vorort wird nur eine Antenne stehen. Die sonst übliche Technik am Standort, die in Schränken am Boden oder auf dem Dach zu finden ist, entfällt.
1&1 will sie in insgesamt 550 Rechenzentren verlagern. Dadurch sollen Wartung und Aussteuerung des Netzes effizienter werden. Für das Kernnetz sind vier zentrale Rechenzentren vorgesehen. Zudem lassen sich die Rechenzentren für Edge-Computing nutzen, sodass Dommermuth optimistisch ist, sehr niedrige Latenzzeiten liefern zu können. Auch Umrüstungen oder Wartungen an den Basisstationen der Antennen sind nach Angaben von 1&1 obsolet und können durch Software-Aktualisierungen durchgeführt werden.
Der 1&1-Partner Rakuten hat im April 2020 als Neueinsteiger in Japan das weltweit erste kommerzielle vollständig virtualisierte OpenRAN-Mobilfunknetz gestartet. Von dieser Erfahrung und Expertise wird 1&1 nun profitieren. Rakuten ist auch für die Gesamt-Performance des 1&1 Mobilfunknetzes verantwortlich. 1&1 wird Zugriff auf die Steuerungsplattform haben. Nach Medienberichten überweist 1&1 den Japanern in den nächsten zehn Jahren für die Arbeit als Generalunternehmer zwischen 1,9 und 2,3 Milliarden Euro.
Bestandskunden
1&1 wird Bestandskunden der 1&1 und Drillisch auf das neue Netz umstellen. „Wir werden ab diesem Tag, an dem wir unser Netz freischalten und das National Roaming anbieten können, keinen Kunden mehr als virtueller Netzbetreiber im Netz der Telefónica schalten“, sagte 1&1-Chef Ralph Dommermuth unserer Redaktion. Mehr noch: Es ist ein Umzug aller Kunden in das neue 1&1-Netz geplant. Das soll über einen technischen Trick geschehen. Die wichtigste Information für die Kunden dabei: Es ist kein Austausch der SIM-Karte notwendig.
Die Kunden werden über ein auf den SIM-Karten befindliches zweites SIM-Karten-Profil in das neue Netz migriert. Diese Aktivierung erfolge Over the Air (OTA). Dabei bekommen die Bestandskunden der zahlreichen Marken die notwendigen Daten per SMS geschickt. Das Handy verarbeitet diese und bucht sich dann im 1&1-Netz ein. Dort, wo dieses dann noch nicht verfügbar ist, arbeitet das Handy weiterhin mit dem O2-Netz zusammen.
Fährt der betreffende Kunde dann in eine Region, in der es schon eine 1&1 Netzabdeckung gibt, bucht sich das Handy dann automatisch dort ein – auch wenn es ein Drillisch-Vertrag vonMarken wie WinSIM, simply & Co. ist. Ein 5G-Handy ist dafür nicht notwendig, 1&1 will alle Sendemasten auch mit LTE versorgen. Allerdings: Einen Ausbau von GSM als Basisnetz für die Telefonie ist nicht geplant.
Der Umzug selbst soll ab Herbst 2023 beginnen – und insgesamt zwei Jahre dauern, bis alle Kunden migriert sind. Ende 2025 muss der letzte Kunde im neuen Netz sein.